Im Interview – Markus Pühringer Neue Marketinginstrumente
in kritischen Zeiten


Veröffentlicht in der PNP - Ausgabe 23.04.2020

Die Corona-Krise macht auch vor etablierten Werbeagenturen nicht Halt. Die Branche lebt zu einem großen Teil von der kommunikativen Begleitung von Veranstaltungen in Kultur, Sport, Tourismus sowie Messen. Auch die Industrie setzt derzeit neue Prioritäten. Termine werden abgesagt, Projekte verschoben, Aufträge storniert. Wie es trotzdem weitergeht, mit welchen Maßnahmen die Krise gemeistert wird und wie auch die Kunden davon profitieren können, erläutert Markus Pühringer, Geschäftsführer von Atelier & Friends in einem Interview.

Wie geht es einem Unternehmen, das sich vor allem über Kommunikation in allen möglichen Ausprägungen definiert, wenn diese – so wie jetzt in der Corona-Krise – plötzlich nicht mehr in der gewohnten Weise stattfinden kann?


Wir sind auf zwei Ebenen gleichzeitig gefordert: Einerseits benötigen wir zur Erstellung unserer Dienstleistungen den intensiven Kontakt zu unseren Kunden und Auftraggebern. Zum anderen entfällt für viele Kunden der Grund, Aufträge zu erteilen oder fortzuführen, wenn deren Lieferketten und Vertriebswege unterbrochen sind bzw. ihr Publikum nicht mehr auf die Straße, in die Geschäfte und auf Veranstaltungen geht. Dennoch gibt es Lichtblicke. Erstens können wir längerfristig angelegte Aufträge, z. B. Museums- und Web-Projekte kontinuierlich weiterbearbeiten. Übrigens ist es uns erfreulicherweise gerade erst letzte Woche gelungen, einen interessanten Ausstellungsauftrag in Aldersbach zu gewinnen, der noch in der zweiten Jahreshälfte konzipiert und umgesetzt werden soll. Zweitens verfügen wir über Kommunikationswege, die engen Kundenkontakt ohne physische Präsenz ermöglichen. Und für unsere Kunden haben wir Marketinginstrumente entwickelt, die es ihnen ermöglichen, ihre Zielgruppen online zu erreichen und damit Umsätze zu generieren.

Auf welche Weise kommunizieren Sie derzeit mit Ihren Kunden?


Was den Kundenkontakt betrifft, muss man das Rad nicht neu erfinden. Zu Telefon und Geschäftstreffen gibt es hervorragende Alternativen. Audio- und Videokonferenzen lassen sich dank – häufig sogar kostenloser – Open Source-Software problemlos einrichten. Seminare werden durch Webinare ersetzt. Über spezielle Plattformen können Daten und Dokumente ausgetauscht und gleichzeitig über Chat-Funktionen diskutiert werden. So lassen sich durch Online-Beratung sogar Aufträge gewinnen. Dieselbe Technik nutzen wir übrigens auch für die interne Kommunikation. Dadurch sind unsere Mitarbeiter immer auf dem Laufenden, was Homeoffice wirklich effizienter macht.

Sie sprachen von neuen Marketinginstrumenten. Was hat es damit auf sich?


Menschen verbringen immer mehr ihrer Zeit im virtuellen Raum. Dort holen wir sie für unsere Kunden ab. Wenn Dialogmarketing schon zu analogen Zeiten gut funktionierte, dann geht es jetzt darum, diese bewährten Prinzipien im Web anzuwenden. Dafür bieten wir eine ganze Reihe sinnvoller Instrumente: Google-Adwords-Kampagnen mit individuell recherchierten Schlüsselbegriffen sorgen für Besucher auf Landingpages. Intelligent und responsiv programmierte Websites machen auch komplexe Inhalte schnell zugänglich und generieren Kundenkontakte, sogenannte Leads. Eine auf „Call-to-Action“ hin optimierte Userführung schafft „Nachfrage“ im wörtlichen Sinn. Digitale Messestände und Schauräume ergänzen das Online-Portfolio. Chats, Blogs, Tutorials, Lehrvideos und Podcasts ersetzen Beratungsgespräche und Online-Shops ergänzen das Ladengeschäft. Professionell gemacht, ist das mehr als bloße Vertriebsunterstützung. Diese Online-Marketinginstrumente helfen entscheidend dabei, bestehende Kunden zu halten und gleichzeitig neue Kunden zu gewinnen.

Und Social Media?


Nicht erst seit Corona stellen wir fest, dass situationsspezifischer Content in Facebook, Instagram, LinkedIn und Youtube authentisch informiert und dadurch Loyalität erzeugt. Hier betreuen wir unsere Kunden komplett vom Redaktionsplan bis zum Reporting – und falls Zeit bleibt, machen wir das auch für uns selbst. Wer in dieser Zeit signalisiert, dass er für seine Kunden und Freunde da ist, der wird auch später in guter Erinnerung sein!

Was empfehlen Sie in der derzeitigen Situation den Unternehmen?


Wir haben einzelne Maßnahmen schon lange vor der aktuellen Krise speziell für Kunden entwickelt. Dort sind sie - wie bei uns auch - erfolgreich im Einsatz und bewähren sich jetzt. Generell geht es darum, Empathie für die jeweilige Kundensituation aufzubauen. Wir sitzen alle im selben Boot und haben dasselbe Dilemma zu lösen: Wie können wir unsere Mitarbeiter und Kunden dabei unterstützen, gesund zu bleiben, verantwortlich zu handeln und gleichzeitig unsere Wirtschaftskraft einigermaßen zu erhalten? Deshalb empfehlen wir jedem Unternehmen erstens, eine gute Informationsstruktur zu den Mitarbeitern aufzubauen und den Kontakt zu ihren Kunden unbedingt aufrecht zu erhalten. Zweitens, Aufträge zu generieren, um möglichst schnell wieder ins Geschäft zu kommen. Die Instrumente sind vorhanden. Drittens, darüber nachzudenken, wie sich das jeweilige Geschäftsmodell in der Zukunft verändern wird.

Inwieweit wird die Corona-Krise die Kommunikationslandschaft Ihrer Meinung nach nachhaltig verändern?


Weil zu erwarten ist, dass die derzeitige Situation – unterbrochene Lieferketten, eingeschränkter Handel, beschränkte Bewegungsfreiheiten im öffentlichen Raum – uns noch eine Weile begleiten wird, wird es zu Gewöhnungseffekten kommen. Wir werden erkennen, dass die neuen Möglichkeiten eine ganze Reihe von Effizienzgewinnen bereithalten. Homeoffice wird dauerhaft an Akzeptanz gewinnen und so manche Geschäftsreise wird nicht mehr notwendig sein. Und auch viele Verbraucher werden merken, dass virtuelle Welten Vorzüge in Form von Bequemlichkeit und Unterhaltung bieten. Dennoch werden die Menschen erst recht ein großes Bedürfnis verspüren, die reale Welt zu erleben, in lokalen Geschäften einzukaufen, in Restaurants mit Freunden zu genießen, Veranstaltungen zu besuchen und in die Natur einzutauchen. Das alles wird nach der Krise eine neue Wertschätzung erfahren. Der Zukunftsforscher Mathias Horx sagte kürzlich: „Zukunft entsteht dann, wenn wir in Krisensituationen über uns hinauswachsen. Die Welt wird dann eine andere sein.“ Ich füge hinzu: Die Chancen stehen gut, wenn wir uns wachrütteln lassen, dass sie besser wird.

Die Fragen stellte Andreas Nigl

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