„Wir arbeiten mit
Irritationen und Verzerrungen“


Veröffentlicht im Magazin INNSIDE - Ausgabe 2014 - Das Interview führte Roswitha Prasser

Seit 30 Jahren ist sie die Agentur für Markenentwicklung, Corporate Design und Inszenierungen, und das nicht nur in Niederbayern: Die Kreativschmiede „Atelier & Friends“ mit Sitz in Grafenau.

Das kürzlich eröffnete Museum JAGD LAND FLUSS im Schloss Wolfstein in Freyung ist ein neues Leuchtturmprojekt in der beeindruckenden Referenzliste. WOIDside führte ein Gespräch mit Markus Pühringer, seit 2009 Geschäftsführer der Agentur:

Herr Pühringer, die Lobeshymnen für das Museum JAGD LAND FLUSS reißen nicht ab. Gratulation an Sie und alle Beteiligten. Die Umbauzeit betrug über drei Jahre. Das Museum war in dieser Zeit komplett geschlossen. Welche Anforderungen galt es zu realisieren?


Es ging darum, die komplette inhaltliche und gestalterische Ausrichtung neu zu entwickeln, weshalb für die wissenschaftliche und thematische Ausarbeitung eine umfangreiche Grundlagenermittlung erforderlich war. Die gestalterische und innenarchitektonische Konzeption sowie die baulichen Umsetzungen haben gut die Hälfte der Zeit in Anspruch genommen. Mit den Auftraggebern Landkreis und Nationalpark haben wir in vielen gemeinsamen Kreativrunden die Grundstruktur, die thematischen Schwerpunkte, die Ideen und die Inszenierung entwickelt. Wissenschaftliche Grundlagen und gestalterische Konzeption wurden Hand in Hand entwickelt.

Welches Konzept wurde verfolgt, vor allem hinsichtlich der Zielgruppe Besucher?


Wir haben die Themen nicht nur für die Zielgruppe entwickelt, die sich sowieso durch die Thematik angesprochen fühlt, sondern wir wollten eine Ausstellung entwickeln, die für Jedermann spannend ist, wie zum Beispiel der Adrenalin-Wald, in den man sich im Dunkeln normalerweise nicht hineintraut oder der Elch, der unbekümmert durch den Eisernen Vorhang schreitet, wo uns Menschen Grenzen gesetzt wurden. Das Museum sollte ein lebendiges Erlebniszentrum sein für eine breite Bevölkerungsschicht und vor allem für junge Menschen. Die Ausstellung lebt von der Unterschiedlichkeit der Installationen. Der Weg durch die einzelnen Räume überrascht immer wieder durch verschiedene Medien, Stile und Farben. Eine didaktische Skulptur etwa, die ein Thema als Metapher transportiert oder die Integration von verschiedenen interaktiven Stationen lassen die einzelnen Themen intensiv erleben und wahrnehmen.

Das neue Museum ist eine Erlebniswelt, die begeistert, die man gesehen und erlebt haben muss. Wie gehen Sie so ein Projekt an?


Das menschliche Gehirn ist so gebaut, dass wir nur Unterschiede wahrnehmen. Aus diesem Grund arbeiten wir bei allen Kommunikationsprojekten mit Irritationen und Verzerrungen. Das betrifft ein Ausstellungsprojekt ebenso wie Markeninszenierungen oder Produkte, die wir auffallend am Markt positionieren sollen. Das gilt auch für Kampagnen, Präsentationen, Reden, Veranstaltungen, Messestände. Kommunikationskonzepte haben sich vom Monolog entfernt. Es geht darum, Dialog auszulösen. Ein Dialog entsteht durch Einbeziehung und Interaktionsangebote, durch Feedback bei Kundenmailings, in Blogs und in Web-Portalen. Aus diesem Dialog heraus entsteht die Anpassung der eigenen Identität, wobei der Kunde auf diesem Weg mitgestaltet.

Die Konzeption von Ausstellungen ist eine Kernkompetenz. In welchen Bereichen ist die Agentur sonst noch tätig?


Im Wesentlichen gibt es drei Aktionsfelder, in denen wir als Kreativagentur tätig sind. Wir betreuen Unternehmen bei der Positionierung ihrer Firma und ihrer Produkte, begleiten sie bei ihren Kommunikationsmaßnahmen. Ebenso bei der Online-Kommunikation, wo wir den Markterfolg im Web durch Marketingkampagnen, Gestaltung und Programmierung der Webseiten, Blogs und SEO anvisieren. Unsere Ausstellungskompetenz betrifft die Planung und Umsetzung von Brandlands, Werksführungen, Messeständen und musealen Erlebniswelten.

Die Bandbreite ihrer Kunden ist vielfältig. Kommen diese hauptsächlich aus der Region?


90 Prozent des Umsatzvolumens kommt von außerhalb des Heimat-Landkreises. Wir halten die Aufträge nicht nur in der Region, sondern wir holen die Aufträge in die Region und schaffen damit regionale Wirtschaftskraft.

Wie setzt sich das Team zusammen?


Unser Team besteht aus Persönlichkeiten unterschiedlicher Disziplinen. Wir haben Medien- und Webdesigner, Szenographen, Innenarchitekten, Betriebswirte, Programmierer, SEO-Spezialisten, Kulturwirte, Industriedesigner und Landschaftsarchitekten. Wir beschäftigen auch junge Menschen aus dem europäischen Ausland. Damit sind wir für alle Anforderungen bestens aufgestellt.

Seit mehr als fünf Jahren leiten Sie die Agentur. Was hat sie in dieser Zeit besonders bewegt?


Die größte Herausforderung für das gesamte Team und mich war vor sechs Jahren, als unser damals größter Kunde Insolvenz anmeldete, gefolgt von einer weltweiten Wirtschaftskrise und besonders, weil unser Unternehmensgründer Lothar Nebl wegen einer schwerwiegenden Krankheit von einem Tag auf den anderen nicht mehr zur Verfügung stand. Ich bin dankbar allen Mitarbeitern und treuen Kunden gegenüber, die uns in dieser Zeit vertraut haben und für die wir weiterhin spannende Projekte entwickeln durften. Auch die vielen neuen Kunden haben uns sehr gefreut. Ich bin dankbar für die große Kraft, die wir aus dieser Krise geschöpft haben und die Chance, unsere Stärken zu erkennen.

Gibt es einen Fluss in Ihrem Leben, mit dem Sie sich besonders identifizieren können?


Ich bin an der Donau geboren, lebe seit mehr als 20 Jahren am Inn und arbeite an der Ohe. Der Inn ist für mich der mystischste Fluss von allen, durch seine natürliche Farbgebung und Schönheit, die Mächtigkeit, die er ausstrahlt, seine respekteinflößende Stärke und Unberechenbarkeit.

Vielen Dank für das Gespräch.

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